DOLOMITEN: WIE DIE VIA DOLORAMA NEUE WEGE FüR WANDERER öFFNET

Südtirol hat sich als eierlegende Wollmilchsau unter der kulinarisch verwöhnten Wanderklientel einen Namen gemacht. Italienischer Espresso, hausgemachte Knödel und Strudel nach streng gehüteten Rezepten diverser Urgroßmütter gepaart mit unverschämt fotogenen Bergpanoramen, die auch ohne Filter auf Instagram gut aussehen. 

Vor allem die Dolomiten sind ein Sehnsuchtsort vieler Urlauber. Das 2009 vergebene Prädikat UNESCO-Welterbe hat die Nachfrage zusätzlich angekurbelt, wenngleich manche der Einheimischen diese Ehre heute mehr als Fluch denn als Segen wahrnehmen.

Ein touristisches Entwicklungskonzept samt umstrittenem "Bettenstopp" soll dem Zuviel Einhalt gebieten. Will man dennoch das gelobte Land von Zirbenschnaps und Südtiroler Speck erwandern, gilt es Alternativen abseits der verstopften Pfade nahe der Drei Zinnen zu finden. Wer Gänsemarsch-Abordnungen wie bei der Everest-Besteigung meiden möchte, ist auf der einundsechzig Kilometer langen Via Dolorama gut aufgehoben.

Besser im Abseits

Die Wanderung in vier Etappen, mit Start in Zumis, beginnt unschuldig entlang der Rodenecker- und Lüsner Almen Richtung Maurerberghütte. Es ist ein sanftes Bergauf und Bergab, begleitet vom fast schon kitschigen Gebimmel der Kuhglocken, welches die Wanderer sogar noch am Gipfelkreuz des Campill auf 2.190 Meter Seehöhe umgibt. Die sonnenbeschienenen Bänke der vielen Berghütten am Weg sind mindestens so verlockend wie der Duft von Kaiserschmarren oder Speckbrot.

Die sich verändernden Berge der Südtiroler und österreichischen Alpen, die wie gemalte Kulissen eines Andreas-Hofer-Stückes vorbeiziehen, haben eine beruhigende Wirkung. Der gleichmäßige Schritt und der Blick in die Weite sorgen trotz Anstrengung für Serotonin und Zufriedenheit.

Das Ziel: die beeindruckende Felsformation des Peitlerkofels. Vorbei am Glittner See – in dem zwei weiße Schwäne dümpeln, die man auf den ersten Blick leicht für Plastikattrappen halten könnte – gilt es, den letzten Anstieg zur Hütte zu überwinden. Der schmale Pfad schmiegt sich an den Steilhang, für dessen Überwindung Schwindelfreie klar im Vorteil sind.

Kraftakt

Auf den letzten Metern werden schonungslos Konditionslücken offen gelegt – und das sprachliche Naheverhältnis von Dolorama und Dolorosa wird bis in die letzten Muskelfasern spürbar. Vor allem bei den weniger Trainierten. Denn die über zwanzig Kilometer lange erste Etappe ist mit ihrem knapp tausend Höhenmeter starken Aufstieg alles andere als ein Pappenstiel. Hat man den ersten Tag gut überstanden, geht es gemütlich weiter.

Der Peitlerkofel, der auch das „Tor zu den Dolomiten“ genannt wird, wird nun halb umrundet und markiert den Eintritt in diese besondere Bergwelt. Die kleinen, urigen Holzhütten liegen geduckt und wie zufällig hingewürfelt auf den Almwiesen zu Füßen des Berges. Ziel ist die Schlüterhütte.

Von dort geht es am nächsten Morgen durch einen Zirbenhochwald Richtung Gschnagenhardt Alm und weiter zur Raschötzhütte. Die letzte Etappe führt mit Blick auf die Langkofelgruppe zurück ins Tal nach Lajen.

Woher der Name kommt

Den Namen verdanken die Berge dem französischen Geologen und Mineralogen Déodat Guy Sylvain Tancrède Gratet de Dolomieu, der in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts die mineralogische Zusammensetzung der Felsen bestimmte. Dolomieu wollte das von ihm beschriebene Gestein eigentlich Saussurite nennen, zu Ehren seines Lehrers Horace Bénédict de Saussure. Doch als Dolomieu 1801 verstarb, war es der einstige Lehrer, der das Gestein nach dem Schüler benannte.

Abends strahlen die Berge in einem besonderen Licht

Nicht versäumen sollte man das allabendlich stattfindende Naturschauspiel der „Enrosadira“, wenn die sogenannten „Bleichen Berge“ Rouge auflegen. Die Farbpalette reicht von Puderrosa bis Purpur. Wissenschaftlich erklärt wird die Färbung der Berge mit den Mineralien und dem Winkel der Sonneneinstrahlung.

Eine romantischere Herleitung liefern die Ladiner. Der Legende nach ist hierfür Zwergenkönig Laurin verantwortlich, der einer unerwiderten Liebe wegen seinen Rosengarten für das menschliche Auge Tag wie Nacht unsichtbar machen wollte. Die Dämmerung hatte er jedoch vergessen – und so rächen sich die felsigen Dolomiten zweimal täglich.

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